Klimawandel.

Durch mein Berufsleben als in Literaturwissenschaft habilitierter Kommunikationsberater für Sonderfälle bin ich zu einem ausgeprägten Individualisten geworden, der sich auch individualistischer Massenphänomene zu erwehren weiss. Dieser Aussage gegenüber bin ich freilich durchaus skeptisch, wenn ich bedenke, dass das Privatpersönliche in allen diesen Bewusstsein rundum ein völlig überschätzter Rest ist, weshalb also nicht auch bei mir? Dennoch ist der Individualismus so stark, dass mich die zunehmende Vergesellschaftung nervt, insbesondere der Mitmach-Druck, den diese auf mich ausübt. 

Mit dem bereits voll im Gang befindlichen Klimawandel steigt der Vergesellschaftungsdruck weiter an, keine Frage. Wie käme ich jedoch dazu, aus Aberwillen gegen diesen Druck den Klimawandel zu leugnen? Beziehungsweise zu leugnen, dass gegen diesen Wandel etwas zu unternehmen sei? Weil mir die damit verbundene weitere Vergesellschaftung gegen den Strich geht?

Es gibt ja zwei Stufen der Leugnung: erstens diejenige des Klimawandels als eines globalen Phänomens, und zweitens diejenige des menschlich-technischen Ursprungs dieses Wandels. Beide Leugnungen werden gerne kombiniert in der Behauptung, der Klimawandel sei ein natürliches regionales Phänomen - wie gehabt.

Wer, der bei Verstand ist, wollte sich dem angesichts der wissenschaftlichen Beweislast anschliessen! Wem das Anschauungsmaterial jetzt noch nicht reicht, den werden wohl die nächsten Sommer hierzulande Mores lehren. Das zusätzlich Beängstigende dabei: Die Klimaveränderung erfolgt nicht linear, sondern sprunghaft bis zum Kippen - jusqu’à ce que ça bascule. 

Dem 74jährigen tut sich da eine eigenartige Rechnung auf, denn was hat, wer eh der Zukunft beraubt, noch zu fürchten? Besänftigt ihn der perverse Trost des baldigen Todes, der ihm auch die übermässige Vergesellschaftung erspart? 

Und müsste er nicht an sich als Subjekt der Geschichte glauben, um da noch so etwas wie Verantwortung übernehmen zu wollen? Niemals wäre es mir eingefallen, jemanden oder eine Gruppierung als Subjekt der Geschichte zu sehen, so auch jetzt nicht. Ça suit son cours! Bedenken wir die andere grosse Bedrohung, jene durch einen ultimativen atomaren Schlagabtausch. Auch da haben sie es nicht hingekriegt: nämlich die Non-Proliferation bzw. gar die Abschaffung der Atomwaffen. 

Gewiss: Vordringlich, d.h. vor allem anderen Handeln geboten sind Massnahmen gegen das Kippen des Klimas, denn kippt das Klima, kippt alles. Eine mächtige Logik. Kommen solche Massnahmen, wenn wahrscheinlich auch zu spät, werden sie die Gesellschaften völlig verändern. Obwohl es eilt, glaube ich nicht, dass der heute über 70jährige das noch erleben wird. Ich glaube auch nicht, dass aus der kommenden Not plötzlich ein Subjekt der Geschichte entstehen wird. 

Aber was ich glaube, ist in diesen Belangen ja ziemlich irrelevant. 

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