Photographie: die Einklammerung der Referenz I

Im Bild steht die innere Kommunikation stets in Konkurrenz zur Referenz, dem Bezug zu einem Äusseren, Abgebildeten bzw. Bezeichneten und dadurch in der Imagination Vorgestellten. In seltenen Fällen gelingt dann das Zusammenspiel, indem etwa das Abgebildete zur Metapher der inneren Kommunikation und dadurch in diese selbst hineingezogen wird - schöne Beispiele dafür sind im Bereich der Lyrik etwa die Gedichte von Mallarmé, mais „un coup de dés jamais n‘abolira le Hasard“.

Denn wie in der (durchaus auch abbildenden) Wortsprache ist im photographischen Bild die Referenz das, worein wir geworfen sind, also das Zufällige, die innere Kommunikation hingegen das, was wir, redend, abbildend, allenfalls selber schaffen - insofern wir es nicht einfach dumpf geschehen lassen, wie im Daherreden oder, bei der Photographie, im blossen Hinhalten der Kamera und blinden Betätigen des Auslösers. 

Die Photos, die ich in grösseren Formaten drucken lasse, stehen allesamt in diesem Spannungsfeld von innerer Kommunikation einerseits und Referenz andererseits, ja sie halten und tragen diese Spannung aus.

Um die innere Kommunikation eines Bildes mit und gegen dessen Referenz in Austrag zu bringen, braucht es deren Einklammerung. Eine Beseitigung ist das nicht. Daher sind meine Bilder auch nicht abstrakt. Sie abstrahieren nicht vom Konkreten. Vielmehr tritt in ihnen die innere Kommunikation in voller Konkretion in Erscheinung. Denn in ihr findet in diesen Bildern eine fast vollständige Kommunikation, ein fast vollständiger Austausch von Innen und Aussen statt. Während also in der referenziellen Darstellung der Zug des Sehens fast ganz aufs Aussen geht und in der abstrakten Darstellung fast ganz aufs Innen, sind wir hier im Reich der fast vollständigen gegenseitigen Durchdringung von Innen und Aussen. Zum Beispiel im Bild „Le lit de l‘Areuse“:

In diesem Bild sind alle Verbindungen und Abläufe zwischen den Bildelementen (wie auch immer man diese definiert) sowohl (fast) ganz von der „Natur“ gegeben (also in der Referenz angelegt) als auch (fast) ganz in die innere Kommunikation des Bildes umgewidmet durch den künstlerischen Eingriff von Ausschnitt, Perspektive und Reliefgebung (in Umriss, Farbe, Kontrast, Tiefenschärfe, Fliessgeschwindigkeit usw.).  Es hat darin keine Gegenstände, die durch ihre schiere Präsenz gegen die sie umfliessende Kommunikation anstehen. Nicht, dass es im Bild überhaupt keine Gegenstände hätte, aber keiner der vorhandenen Gegenstände (hier Steine, Pflanzen, Wasserläufe) erreicht annähernd die relative Grösse, durch welche er sich als festes Gebilde im Zusammenhang des Bildes diesem widerstehend in einer herausragenden Elementarität zu profilieren vermöchte. Die grössten Gebilde: die verwitterten, bemoosten Steine im Wasser, verdanken sich in ihrer Erscheinung klar den sie umspülenden Wassern, von denen sie kaum mehr zu lösen sind als einem Geschehen, das im ganzen Bild stattfindet. Alles im Bild ist mithin Teil des Geschehens, dessen Akteur die Wasser sind, und wer hier Geschehen sagt, sagt Kommunikation. Und diese Wasser fliessen hier im Bild genau so, wie sie draussen in der Referenz fliessen, beides imgleichen, untrennbar im Akt der Betrachtung. Und gleichzeitig stehen sie in ihrem Fliessen bei der Betrachtung. Nicht erst in der Photographie. Und genau da bringt das Bild, sei es ein Photo oder ein Gemälde, das Eigene des Sehens vor dieses selbst. Denn das Sehen bringt die Bewegung zum Stehen dadurch, dass es sie festhält. Das zeigt sich schon in ihrer Benennung durch ein Wort, denn das Wort fixiert. Schauen, sprechen, abbilden - all dies sind beim sprechenden Tier, also dem sogenannten Menschen, immer schon zusammenwirkende Vorgänge, die erst im Nachhinein dann in die Bereiche Wortsprache, Bild und Musik zerfallen. Musik haben wir hier nämlich genauso: im ungehörten, aber präsenten Rauschen der Wasser.