Die Entwertung der Bilder.

Beim Betrachten mancher Abbildungen aus früheren Zeiten erahnt einer deren existenzprägende Kraft. Die digitale Bilderflut, die einen heute überschwemmt, lässt hingegen das einzelne Bild als schalen Abklatsch einer in Myriaden von Vierecken fragmentierten Realität erscheinen - immer derselben, die sich ihrerseits in Portionen und Portiönchen in die Schwemme der Bildchen auflöst. Es gibt keine andere Realität mehr, weil kein Bild mehr dem kollektiven Wahn die eigene Prägung im öffentlichen Raum erfolgreich entgegenzusetzen vermag. Das einzige, freilich nur vermeintliche Entkommen aus dem Gefängnis einer um so stärker verfestigten Wirklichkeit gewährt noch deren Zersetzung in die Inflation der Szenerien. Was tun, wenn eine, einer vom Bild nicht lassen will? Gerade dies noch zu überbieten und so auf eine Meta-Ebene zu hieven ist das eine, dem Bild die störende Legende mitzugeben das andere.

Störung? Es geht um den Unterbruch der Einbettung des Bildes in die übrige Welt. Wo keine Hinsicht mehr überrascht und kein Ausschnitt mehr allein zu stellen vermag, weil alles zum Vornherein als schon gesehen abgehakt ist, kann vielleicht noch die schräg einfallende Aussage das Huschen des Auges aufhalten, zumal so lange, bis auch diese Neuerung als Manier der Darbietung in die allgemeine Gewohnheit abgesunken ist.

Das alles vor dem Hintergrund des generellen Übergangs von der Sinn-Produktion zum Sinn-Konsum in den hochtechnologischen Gesellschaften. Die meisten Photographierenden zum Beispiel sind heute keine Bilderproduzenten mehr, sondern Bilderkonsumenten: Sie halten drauf, und die Apparate machen den Rest. Auch in anderen Lebensbereichen findet Ähnliches statt, so zwar, dass immer mehr Kreative überflüssig werden: die Photographen, die Graphiker, die Designer... Dieser Prozess ist überdeterminiert: gepuscht durch die Digitalisierung, aber auch durch eine allgemeine Ermüdung der Einbildungskraft, die angesichts der Bilderwelt nicht mehr gebraucht wird, geht der Bezug zur Produktion verloren. Und wer zur Produktion keinen Bezug hat, verliert auch jenen zu den Kreativen. Hinzu kommt die nahezu vollständige Zementierung der wahrgenommenen gesellschaftlichen Wirklichkeit, in der fast jede jenseits von Unruhen, Terror und Krieg denkbare Veränderung schon aufgefangen ist.

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