Ist Sprache von gestern?

Anweisung für den Blog: Lockern Sie den Text auf, keine langen Absätze, immer wieder Bilder dazwischen! Dabei gab's Zeiten, da las ich einen Sommer lang die Recherche von Proust, Tausende von Seiten, einen anderen Sommer lang den Mann ohne Eigenschaften von Musil, ebenfalls Tausende von Seiten. Diesen Winter, der ausbleibt, lese ich die Jahrestage von Johnson. Aber das ist doch Literatur! Was hat das mit dem Thema zu tun!

Mal ganz einfach: Beim Reden, Zuhören, Lesen, Schreiben produziere ich die Bilder mit, selbst, im Kopf, fühle ich sie mit,  ich rede ja schon vom anderen her, von der anderen her zu ihr oder ihm, aus der Welt her, die ich mit ihm teile oder ihr, und ich höre dabei, beim Reden, mit wie die Bilder aufsteigen aus dieser gemeinsamen Versunkenheit in diese Welt, erst recht, wenn ich dann nur noch höre und die, der andere redet, und beim Lesen und Schreiben kommt noch dazu, dass ich innerlich noch wie ein Echo des Klangs der Worte höre... Während ich also da liege und lese, bin ich selbst der Kinosaal, nur etwas verhalten, Bild und Ton fast nur angedeutet, und doch ist die Szenerie präzise, sind die Figuren fassbar, so weit's der Text hergibt. 

Reden und Zuhören geht ja noch. Doch warum halten wir das lange Lesen und Schreiben nicht mehr durch? Ich denke, es ist das Selberproduzieren der Bilder, das wir nicht mehr mögen. Wir haben die Bilderproduktion und ihre Präsentation ausgelagert in die Geräte, die jede und jeder immer bei sich hat. Das Schriftliche nimmt ab, an seine Stelle tritt das Bild, mal still und mal bewegt, vom Klang der Worte abgetrennt. Da bricht etwas von der Sprache weg, ein ganzes Teil, verblasst und bricht weg. Eben, dieser Klang der Worte. Diese Bilder, die sich mit ihnen verbinden. 

Vielleicht wird deshalb immer mehr geschrieen, in Sätzen kurz, grob und krass. Alles mit Ausrufezeichen. Aus einer Not heraus: Weil den Worten die Bilder und der Klang abhanden kommen, je mehr sich die Bilder verselbständigen. Man weiss gar nicht mehr so viel anzufangen mit dieser Sprache. Es ist, als wäre sie von gestern. 

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