Das "Sein-für-den-Andern" ("l'être-pour-autrui" bei Jean-Paul Sartre, L'être et le néant), wird mit der Evolution der Medienlandschaft immer mehr zu einem "Sein-im-Publikum" (ich schaue zu) oder "Sein-für-ein-Publikum" (man schaut mir zu). Wie Sartre in L'être et le néant und anders als Martin Heidegger in Sein und Zeit, gebe ich hier im Verhältnis zum Andern dem Blick bzw. dem Schauen einen gewissen Vorrang. Dies legt unter anderem das Überhandnehmen von stehenden und bewegten Bildern (also von Photographie und Videos) nahe in den Medien, die den Kommunikationsraum des Alltags prägen. Der Erscheinung eignet ein unwiderstehlicher Unmittelbarkeits-Appeal, der ihr gegenüber der wortsprachlich vorgestellten Szenerie den Vorteil der direkten Präsenz verschafft, die scheinbar unabhängig von unserer Vorstellungskraft von sich her auf uns zu kommt. Scheinbar, sage ich, denn gewiss geben wir auch noch in der blossen Wahrnehmung dem Wahrgenommenen aus unserem Fundus etwas mit. Ja Immanuel Kant geht in der Kritik der reinen Vernunft so weit zu sagen, dass sich die Erscheinung überhaupt in unserer (produktiven) Einbildungskraft aufbaue. Auf jeden Fall (was auch immer wir von diesem Argument aus den 70er Jahren des 18. Jahrhunderts halten) leuchtet ein, dass unser Wahrnehmungsorgan das Wahrgenommene mit gestaltet und es daher mit der Unmittelbarkeit nicht ganz so weit her ist, wie dies uns der Appeal des Erscheinenden weismacht. Doch es drängt uns nach diesem Appeal, weil er uns des Inhalts vergewissert, den er begleitet. Seinetwegen gilt die Regel, dass stehende und bewegte Bilder viel stärker als Worte auf unsere Einbildungskraft einzuwirken und uns von der Tatsächlichkeit eines Sachverhalts zu überzeugen vermögen. Die Bilder sind zwar nicht das Erscheinende selbst, doch sind sie sogar insofern gesteigertes Erscheinen, als sie dieses rein, eben ohne das Erscheinende selbst, zum Tragen bringen.
Aufgrund dieser Bewandtnis geht von den Bildern, den stehenden wie den bewegten, ein Gegenwartsdruck aus, der mit zunehmender Quantität das Bewusstsein bedrängt und schliesslich, mit anschwellender Bilderflut, zum Erlebnis einer Dringlichkeit führt, deren manche und mancher sich kaum mehr erwehren kann, ja der gegenüber viele nur noch bestehen können, indem sie mit der Flut mit schwimmen - nicht nur Bilder konsumieren, sondern auch selbst welche produzieren, wobei zu fragen sein wird, ob sie angesichts der erkennbaren Zwanghaftigkeit dieses Vorgangs noch als die Subjekte dieser Produktion gelten können. Sein-im-Publikum und Sein-für-ein-Publikum sind die beiden durch die Interaktivität der neuen Medien gegebenen Aspekte dieses Mitschwimmens in der Bilderflut, die uns hier beschäftigen. Eine kurze Skizze der derzeitigen Verfassung der hiesigen Kommunikationsräume soll das In-den-Blick-Fassen der grundverschiedenen Haltungen des Literarischen einerseits und des Politischen andererseits zu diesen Räumen vorbereiten helfen.
Kommentar schreiben